10 Fragen

an Alexander Oetker

Alexander Oetker – wer ist das?

Na, angefangen habe ich als Journalist, erst bei der Berliner Zeitung und dann, seit mehr als zwanzig Jahren, bei RTL und n-tv. Ich durfte schon mit 26 als Korrespondent nach Frankreich – und dort hat mich dann neben der Freude an diesem schönsten Land der Welt auch die Schreiblust gepackt. Kaum wieder in Deutschland, habe ich mit meinem ersten Krimi begonnen, „Retour“ – was für ein Spaß war das, als ich feststellte, dass die Leserinnen und Leser den auch wirklich lesen mochten.

Von da an ging es Schlag auf Schlag: Die Luc Verlain-Reihe wurde zu einem echten Erfolg, dann kam die Paris-Reihe um Commissaire Lacroix, der dem altehrwürdigen Maigret so ähnlich ist. Mit „Mittwochs am Meer“ kam mein erster Liebesroman und mit der „Gebrauchsanweisung für Bordeaux und die Atlantikküste“ mein erster Reiseführer.

Und dann klopfte eines schönen Tages noch eine Zeitschrift an – seitdem arbeite ich als Restaurantkritiker, fester Kolumnist und als Frankreich-Korrespondent für Deutschlands feinstes Magazin, wenn es um Essen, Reisen und das gute Leben geht: „Der Feinschmecker“.

Wolltest Du schon immer Schriftsteller werden?

Ja, wirklich, es war nach Feuerwehrmann und Astronaut echt schon mein Kinderwunsch, Schriftsteller zu werden. Als Sechsjähriger habe ich im Kinderzimmer eine Kurzgeschichte geschrieben, die hieß „Große Fische, kleine Fische“, ich weiß es noch wie heute. Leider finden wir sie nicht wieder, ich suche schon seit Jahren danach.

Der nächste Berufswunsch war Anwalt, aber ich hätte niemals dieses gruselige Jurastudium durchgestanden – und dann kam der Journalismus. Bei der „Berliner Zeitung“ konnte ich endlich schreiben, tolle Reportagen für die Lokalausgabe über meine Heimatstadt. Nebenbei schrieb ich immer mal wieder ein bisschen für mich, schickte sogar etwas an Verlage – aber es hagelte Absagen. Die Briefe habe ich immer noch. Einer kam vom Piper-Verlag, mit dem ich nun, Jahre später wunderbar zusammenarbeitete. Dann, mit 18 Jahren, kam das Fernsehen – und endlich auch mein Leben in Frankreich. Na klar, auch bei meinen Berichten über das Leben und die Politik zwischen Bordeaux, Paris und Nizza musste ich immer viel aufschreiben – aber erst als ich wieder in Berlin war, brach sich der Wunsch Bahn, es doch noch mal zu versuchen. Mein erster Krimi entstand, „Retour“ würde er später heißen – und er erzählte die Geschichte von Luc Verlain. Meine Frau riet mir, ihn nicht in die Schublade zu packen. Und so war es die erste Agentin, die mir zusagte – und der erste Verleger, dem das Buch angeboten wurde, der es auch kaufte. Ein Jahr später stieg es in der ersten Verkaufswoche in die Bestsellerliste ein. Und seitdem ist so viel passiert.

Das klingt alles wie ein Wunder – und echt: Für mich ist es das auch. Bis heute. Weil so viel zusammenpasste, ganz viel Glück dazukam – und ich unendlich vielen Menschen, meiner Agentin, meinen Verlegern, den Lektorinnen und Mitarbeiterinnen, Buchhändlerinnen, Leserinnen und Lesern so dankbar bin.

Wie kann ich auch ein Schriftsteller werden?

Ein guter Beginn wäre, erstmal etwas zu schreiben. Hier sollte jetzt ein augenzwinkerndes Emoji stehen. Aber ganz im Ernst: Sehr viele Leute sagen mir, dass sie ihr Buch im Kopf haben, aber sich nicht überwinden können, es aufzuschreiben. Klar, Selbstzweifel sind gut. Besser jedenfalls, als sich bei „Deutschland sucht den Superstar“ anzumelden und dann sehr schief zu singen, weil einem immer alle gesagt haben, wie toll man singt. Ich zum Beispiel habe sehr lange gehadert und gedacht: Nein, das reicht nicht, um zwischen zwei Buchdeckel gepresst zu werden. Meine Frau aber sagte: „Doch, das reicht.“ Und deshalb habe ich es versucht.

Sie sollten es also auch versuchen. Schreiben Sie los, teilen Sie es mit Menschen, die Sie mögen, aber vielleicht auch mit Leuten, von denen Sie ehrliche Kritik erwarten könnten. Nehmen Sie sich Zeit. Keine Ahnung, wie viel. Ich habe schon mal ein Buch in 14 Tagen geschrieben. Und eines hat mal drei Jahre gedauert. Es gibt nicht „die richtige Zeitspanne“. Ist das Manuskript fertig, können Sie es gerne an alle Verlage schicken, wenn Sie gerne umsonst Porto bezahlen möchten. Die Mitarbeiterinnen in Verlagen haben sehr sehr viel zu tun. Und sie kriegen so viele unverlangt eingesandte Manuskripte, dass sie gar keine Chance haben, die alle genau zu prüfen. Deshalb sollten Sie sich unbedingt eine Agentur suchen. Auch wird kann es Absagen geben. Aber Agenten sind exakt dafür da, aus all den Texten die Perlen auszusortieren, weil sie wissen, was Verlage wollen, brauchen, wofür sie am Ende Geld bezahlen. Also: Schreiben – Agent suchen – Verlag finden - Buch zum ersten Mal im Buchladen sehen, und dieser Moment ist wirklich unbezahlbar.

Wie sieht dein Arbeitstag aus?

Klar, es gibt ganz viele verschiedene Tage, zum Beispiel, wenn ich auf Lesereisen bin oder auf Recherche für ein neues Buch. Normalerweise aber beginnt mein Tag sehr früh, wie der von allen Eltern – denn die Kinder wollen erst frühstücken und dann in Schule und Kita. Danach werfe ich die Kaffeemaschine an und setze mich in meinen Garten, um zu schreiben. Erst ein paar eMails, um anzukommen, dann schreibe ich an meinem aktuellen Buch. Zwei oder drei Stunden, manchmal auch vier, unterbrochen von einem leichten Mittagessen. 10.000 Zeichen sollten es schon sein, wenn es gut läuft, werden es auch 30.000. Erst am Nachmittag mache ich eine Pause in der Hängematte, um über die Entwicklung des Buches und seiner Charaktere nachzudenken und mich auf das Schreiben des nächsten Tages vorzubereiten. Und dann geht’s auch schon wieder in die Schule und in die Kita – mein Kopf ist nach dem Schreiben ganz leer, was perfekt ist, um richtig ausgelassen zu spielen.

Wo lebst du?

Geboren bin ich in Berlin, die ersten Jahre habe ich dort auch gelebt, später aufgewachsen bin ich in einem Dorf nahebei. Mit 26 bin ich nach Paris gezogen und erst nach fünf Jahren wieder nach Berlin zurückgekehrt. Mittlerweile lebe ich mit meiner Familie abwechselnd in einem kleinen Dorf in Brandenburg und in einem kleinen Dorf an der französischen Atlantikküste. Für Recherchen und Reportagen bin ich aber natürlich auch viel unterwegs, zumeist in Paris, auf Zypern und in ganz Südeuropa.

Was genau liebst Du so sehr an Frankreich und an Südeuropa im Allgemeinen?

Es heißt Savoir-vivre, Dolce Vita, die Kunst, zu leben. Alles ist leichter, einfacher, wärmer – und das ist kein Klischee. Diese Stimmung auf einem Marktplatz in Frankreich, die guten Produkte, das Stimmgewirr, jeder hat Zeit, für ein Schwätzchen und dafür, genau die richtigen drei gelben Tomaten auszusuchen. Oder in Sardinien, in diesem kleinen Dorf, wo die alten Leute zusammen auf der Mauer sitzen und den ganzen Nachmittag miteinander reden. All das ist Magie, weil es das Leben leichter macht.

Erzähl uns doch mal, was Deine drei liebsten Orte in Frankreich sind? Und Deine drei liebsten Restaurants?

Das ist so schwer, weil es so viele sind. Aber ich würde mal diese drei ins Rennen werfen:

 

Die Place Dauphine in Paris
Ein kleiner Platz hinterm Justizpalast, mitten auf der Île de la Cité. Drumherum der Trubel der Capitale, hier aber totale Ruhe. Ich sitze hier gerne unter den alten Linden und lese, ein paar Leute sitzen in den Bistrots ringsum, zwei alte Herren spielen Boule und der Wind weht durch die Blätter der Bäume.

 

Die Düne von Pyla
Klar, es ist ein Touristenmagnet. Aber der Ausblick von hier oben auf den Bassin d’Arcachon, auf den offenen Atlantik, auf den Leuchtturm des Cap Ferret – wow, einfach nur wow. Und wenn man ein paar hundert Meter weiter durch den Sand läuft, ist man hier oben auf einmal völlig allein.

 

Sauternes
Der kleine Weinort ist so, wie Frankreich früher war. Kirchturm, Bäckerei, Weinberge, alter Sandstein. Hier sind noch keine Touristenmassen wie in Saint-Émilion. Stattdessen kann ich stundenlang alleine durch die Weinfelder spazieren, die Feldhasen bleiben einfach interessiert sitzen. Hier komme ich auf die besten Ideen.

 

Fontaine de Mars
Mein liebstes Restaurant auf der ganzen Welt. Im noblen 7ten Arrondissement von Paris gelegen, ist dieses alte Bistrot die Kantine des Südwestens. Christiane, die Inhaberin kommt aus Tarbes, Koch Pierre ist aus der Normandie. Und kochen kann er, dass es ein Wunder ist: Cassoulet, Confit de Canard, tolle Vorspeisen, dazu die rot-weiß-karierten Tischdecken, dieser Laden ist eine Wucht.

 

A la bonne Franquette
Dort, wo das Cap Ferret beginnt, ist der alte Austernhafen von Claouey. Und hier, quasi mit den Füßen im Wasser, bereiten die Frauen des Ortes die frischesten Meeresfrüchte so wahnsinnig gut zu, dass es einem die Tränen in die Augen treibt: Die Muscheln mit Weißwein und Zwiebeln sind so gut, die überbackenen Austern die besten in Frankreich – und der Weißwein des Hauses ist einfach nur delicieux.

 

L’Estagnol
Ein Restaurant, dass sie jeden April aus dem Boden stampfen: Gelbe Sonnenschirme, blaubespannte Stühle. Genau hinter der Düne des schönsten Strandes der Provence. Eine Sichelbucht, so türkis, dass man sich auf den Malediven wähnt. Auf dem Holzkohlegrill liegen die frischen Doraden, es gibt Langusten mit Spaghetti und tolle Salate und dazu den fruchtigen Rosé aus dem Var.

Hast Du ein Lieblingsbuch? Ein eigenes und eines von einem anderen Schriftsteller?

Ehrlich? Ich liebe meine Bücher und ihre Helden alle, ich bin ja auch echt einen langen Weg mit ihnen gegangen. Manchmal dauert es ein halbes Jahr, bis so ein Buch fertig ist. Am anstrengendsten, leckersten und bildreichsten ist aber sicher „Chez Luc“ – das Kochbuch, das Commissaire Luc Verlain auf einem unglaublichen Roadtrip begleitet. Zusammen mit seinem Vater Alain, dem seine Rezeptsammlung gestohlen wurde, reist Luc nämlich einmal quer durch den Südwesten Frankreichs, mit seinem alten Oldtimer vom Typ Jaguar. Unterwegs treffen Vater und Sohn die besten Köche der Aquitaine, sie suchen die besten Produkte und finden ganz viele tolle Menschen und ihre Geschichten. Mit dabei waren so tolle Fotografen – das Buch ist der Hit.

Mein Lieblingsbuch, was ich wirklich einmal im Jahr lese, ist „Die große Liebe“ von Hanns-Josef Ortheil. Wie es dieser wunderbare Schriftsteller vermag, die Liebe sinnlich, greifbar und vollkommen darzustellen, berührt mich jedes Mal wieder sehr.

Restaurantkritiker – wie muss man sich so einen Beruf vorstellen?

Essen gehen und dafür noch Geld bekommen – das ist in der Tat ein Traumberuf. Dass ich genau das auch noch für Deutschlands beste Gourmetzeitschrift machen darf, ist noch so ein Traum, der in Erfüllung ging. „Der Feinschmecker“ ist wahnsinnig renommiert und mit all diesen tollen Kolleginnen und Kollegen arbeiten zu dürfen, ist eine echte Ehre. Und dazu lerne ich so viele Köchinnen und Köche kennen, genau wie Produzenten von wunderbaren Produkten.

Der eigentliche Job ist in etwa so wie im Film „Ratatouille“. Ich reserviere einen Tisch unter falschem Namen und gehe zur angegebenen Zeit ins Restaurant, manchmal mit jemand anderem, meistens aber allein. Und dann bestelle ich ein Menü oder einige Speisen und die dazugehörigen Weine, um während des Essens genau zu prüfen: Wie ist der Garpunkt des Fisches? Wie wurde aromatisiert? Wie funktioniert das Zusammenspiel zwischen den Bestandteilen des Tellers und wie funktioniert es mit dem Wein?

Das klingt toll, es kann aber auch wahnsinnig anstrengend sein, wenn man, wie bei unseren Reisereportagen, fünf Restaurants in drei Tagen testen „muss“. Danach fühle ich mich so überaromatisiert, da will ich stets nur noch eine simple, aber gute Currywurst essen.

Was planst Du als nächstes?

Es kommt natürlich jedes Jahr ein neuer Krimi um Luc Verlain und auch einer um Commissaire Lacroix. Beide Ermittler haben noch jede Menge vor – und es gibt so viele spannende und kuriose Menschen und Geschichten, die ich in Frankreich kennengelernt und erlebt habe, da ist noch sehr viel Raum für neue Krimis. Unser Kochbuch wird Ihnen hoffentlich viel Freude machen und ich plane schon an neuen Gourmet-Geschichten für „Der Feinschmecker“. Ich arbeite derzeit an einem neuen Liebesroman - und an einem Sachbuch - aber dazu bald mehr.